Unter Druck dauerhaft stärker
SKF hat eine neue Generation von Kolbendichtungen für Hydraulikzylinder entwickelt, die besonders langlebig und leicht zu installieren sind. Umfangreiche Entwicklungsarbeit zu Werkstoffen und Geometrie ging der Markteinführung voraus.
Von Wolfgang Swete*
Dabei sind die Maschinen in aller Regel äußerst harten Umgebungsbedingungen wie Schmutz, Staub, Schlamm oder Steinschlag ausgesetzt. Folglich stehen auch die Hydraulikzylinder und Dichtungen unter extremen Belastungen.
Knackpunkt Kolbendichtung
Innerhalb des gesamten Dichtungssystems hängt die Funktionalität eines Hydraulikzylinders vor allem von der Kolbendichtung ab: Diese Dichtung befindet sich in einer Nut an der Außenseite des Kolbens. Ihre Hauptaufgabe ist es, die beiden angrenzenden Druckräume im Zylinder voneinander zu separieren beziehungsweise den Druck im einen Raum aufrechtzuerhalten, damit er nicht in den anderen entweicht. Da die meisten Hydraulikzylinder bidirektional arbeiten, muss die Dichtung den Druck von beiden Seiten aufnehmen können.
Diese Anwendung verlangt von den Ingenieuren – wie üblich bei der Entwicklung neuer Dichtungen – eine Gratwanderung zwischen Dichtwirkung und Reibung: Wenn die Dichtung zu viel Flüssigkeit von der Hochdruckseite des Zylinders zur Niederdruckseite austreten lässt, verliert der Zylinder an Leistung.
Andererseits führt übermäßige Reibung an der Zylinder-Innenwand zu beschleunigtem Verschleiß und reduzierter Lebensdauer. Der völlige Ausfall einer Kolbendichtung kann sogar erhebliche Sicherheitsrisiken bergen, weil die Kontrolle über die gerade bewegten Lasten verloren geht. Ein Beispiel dafür ist der sogenannten Blow-by, bei dem das Medium bei Druckaktivierung schlagartig von der Hochdruckseite des Zylinders zur Niederdruckseite strömt. Um Dichtungen gegen hohe Drücke und Temperaturen der Hydraulikflüssigkeiten zu wappnen, braucht es den richtigen Werkstoff. Diese Faktoren belasten nebenbei bemerkt nicht nur die Dichtungsmaterialien, sondern führen auch dazu, dass sich die anderen Komponenten des Zylinders ausdehnen beziehungsweise zusammenziehen.
Pro und Contra PTFE
In Anbetracht solcher Defizite hat sich ein Team von SKF-Ingenieuren auf die Suche nach einer alternativen Dichtungstechnologie begeben. Ziel war es, eine Lösung auf Basis des firmeneigenen Ecopur-Polyurethanwerkstoffs zu realisieren. Dabei entpuppte sich der große Extrusionsspalt zwischen Kolben und Zylinderwand schnell als besondere Herausforderung: Hier müsste die geplante Dichtung über einen ausreichenden Extrusionswiderstand verfügen, um ihre Form unter sämtlichen Betriebsbedingungen beizubehalten.
Polyurethan auf dem Prüfstand
Um sich den gewünschten Eigenschaften des neuen Dichtungsmaterials anzunähern, führten die Ingenieure mit verschiedenen Werkstoff-Varianten unter anderem statische Extrusionstests durch. Zu diesem Zweck wurden die Proben in einem Prüfstand mit einem Öldruck von 500 bar beaufschlagt, der sie durch unterschiedliche Spalte (zwischen 0,15 Millimeter und 0,7 Millimeter) zu extrudieren versuchte.
Die Prüfdauer wurde jeweils mit zwei Wochen bei konstanten Temperaturen festgesetzt, in einer Gesamt-Bandbreite von 60 Grad Celsius bis 100 Grad Celsius. Danach wurde die aus den Tests resultierende Permanent-Verformung der einzelnen Prüflinge erfasst und verglichen.
Am Ende hatten die Entwickler mit dem „X-Ecopur PS“ getauften Polyurethan den am besten geeigneten Werkstoff gefunden. Dabei handelt es sich um die nunmehr härteste Ecopur-Variante des Unternehmens. Zusätzlich schufen die Ingenieure mit dem Werkstoff PT 54D ein neues Material für weniger stark beanspruchte Zylinder.
Dichtungs-Design im Detail
Eine weitere konstruktive Verbesserung hat der Hersteller beim Vorspannelement der Dichtung erzielt. Dabei handelt es sich um einen weicheren Gummiteil, der unterhalb des Polyurethan-Gleitrings fest im Einbauraum sitzt; hier also statisch abdichtet und zudem den Gleitring gegen die Innenwand des Hydraulikzylinders presst zur dortigen dynamischen Abdichtung. Bei Dichtungen für Leichtlast-Zylinder besteht diese Komponente meist aus einem simplen O-Ring, während Dichtungskonstruktionen für mittlere und schwere Beanspruchungen über speziell geformte Vorspannelemente (beide aus Acrylnitril-Butadien-Kautschuk) verfügen.
Um den Druckaufbau zwischen Vorspannelement und Gleitring zu vereinfachen, hat das Unternehmen Druckausgleichsnuten in den Stirnseiten des Gleitrings vorgesehen. Diese Nuten ermöglichen zudem schnelle Druckwechsel, wodurch das Risiko von Blow-by-Effekten minimiert wird.
Vom Prototypen zur Produktreihe
Vor der Markteinführung hat der Hersteller die neuen Dichtungen umfangreichen Prüfungen unterzogen. Dazu gehörte auch ein Langzeitversuch mit einer Gesamtstrecke von 200 Kilometern hin- und hergehend bei Drücken von bis zu 250 bar und Temperaturen von 80 Grad Celisus. Während dieser Tests wurden Leckage und Reibung erfasst, bevor die Dichtungen selbst vermessen und untersucht wurden, um Oberflächenverschleiß und Extrusion zu ermitteln. Dabei stellte sich heraus, dass die neu entwickelte Lösung eine deutlich bessere Performance bietet als handelsübliche Alternativen: So manche – vermeintlich gleichwertige – Kolbendichtung ist an diesem „Langstrecken-Test“ gescheitert.
Angesichts der Leistung hält das Unternehmen diese Neuentwicklung auch schon für ein breiteres Spektrum von hydraulischen Anwendungen bereit: Die LPV-Baureihe mit einem O-Ring-Vorspannelement ist für vergleichsweise „leichte“ Lasten bei stationären Anwendungen in Innenräumen konzipiert, zum Beispiel in Produktionsmaschinen. Diese Dichtungen für metrische Abmessungen eignen sich für Drücke von bis zu 250 bar, Geschwindigkeiten bis maximal 0,5 Meter pro Sekunde und Temperaturen zwischen -20 Grad Celsius und 100 Grad Celsius.
Die MPV-Reihe ist für anspruchsvollere Anwendungen im moderaten und Schwerlastbetrieb bestimmt, wie sie etwa in mobilen Land- und Baumaschinen zu finden sind. Diese Dichtungen passen in metrische Gehäuse und sind für Drücke von bis zu 400 bar, Geschwindigkeiten bis maximal ein Meter pro Sekunde und Temperaturen zwischen -20 Grad Celsius und 110 Grad Celsius geeignet. Eine dritte Reihe aus dieser Dichtungsfamilie (DPV) bietet die gleichen Betriebsspezifikationen wie die MPV-Reihe, allerdings für Gehäuse mit Zoll-Abmessungen.
Fazit
Es lässt sich also zusammenfassen: Auf Basis des neuen Werkstoffs X-Ecopur PS hat SKF in Kombination mit einem verbesserten Design eine neue Kolbendichtung entwickelt. Gemessen an guten PTFE-Dichtungen zeigt die Komponente eine vergleichbare Performance, lässt sich in Hydraulikzylindern aber schneller und einfacher installieren. Außerdem ist die Kolbendichtung robust und langlebig.